Ein Hallo für alle

 

Ein Radfahrerpärchen steht nebeneinander an der roten Ampel, als sich von hinten eine einzelne Radfahrerin nähert. „Hallo“, ruft diese, und das Pärchen schaut erwartungsvoll zurück. Als die beiden bemerken, dass der freundliche Gruß nicht ihnen, sondern dem Telefonpartner der Radlerin gilt, wenden sie sich zurück zur roten Ampel.

 

Viele von uns waren schon in einer ähnlichen Situation. Wir hören ein nettes „Hi“, ein verbindliches „Guten Tag“ oder ein überschwängliches „Hallo“, das uns signalisiert: Deine Person ist gefragt; es freut sich jemand, Dich zu sehen. Aber Pustekuchen. Es ist nicht unsere Person, die gefragt ist; diese Ehre wird einem anderen zuteil, nämlich dem unsichtbaren Gesprächspartner des Grüßenden.

 

Unsere Reaktionen können dann variieren von Enttäuschung, dass nicht wir begrüßt werden, über Erleichterung, dass wir doch weiter unsere Ruhe behalten, bis hin zu Ärger, dass wir uns völlig umsonst umdrehten.

 

Da das Telefonieren in unserer Großstadt überall und zu jeder Zeit möglich ist, werden wir uns auch daran gewöhnen müssen, dass nicht jedes Klingeln das unseres Handys ist. Dass ich da schon gelassener geworden bin, bemerkt man daran, dass ich das Klingeln meines Telefons immer recht spät wahrnehme.

So auch jetzt, hier im Café. Auf der Displayanzeige sehe ich, dass es meine Freundin ist, die mich anruft und die ich schon länger nicht gesprochen habe. „Hallo!“ begrüße ich sie freudig, als mich von den Nachbartischen plötzlich mehrere Augenpaare erwartungsvoll ansehen.

 

EvN

 

 

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