Der Gute-Laune-Speicher

„Ich weiß noch, wie schön es war, als …“ Mit diesen Worten sollten wir im Volkshochschulkurs für kreatives Schreiben unsere kleinen Geschichten beginnen. Damals war dieser Workshop ein netter Zeitvertreib für ein Wochenende. Einige Jahre später kam mir dieser Text wieder in den Sinn und leistet mir seither gute Dienste.

Geht es mir einmal nicht so gut und ich bin traurig oder etwas niedergeschlagen, ist genau dieser Satzbeginn meine Brücke vom Dunkel ins Helle. Ich versuche dann, mich durch ihn in eine vergangene Situation zu versetzen, in der ich mich richtig gut fühlte.

Anfangs waren es immer Gedanken an meine Großmutter, bei der ich mich besonders behütet fühlte. Heute bin ich schon geübter und habe mir ein großes Sortiment an alten Situationen zurechtgelegt.

Fühle ich mich dick und hässlich, denke ich an ein Kompliment, welches ich einmal erhielt und das mich damals stolz machte. Sofort gehe ich aufrechter und sicheren Schrittes. Fühle ich mich mal einsam und unverstanden, denke ich an ein besonders intensives Gespräch mit meiner Freundin zurück. An einem nassen, trüben Novembertag sehe ich mich in Gedanken in meinem hellblauen Sommerkleid an Deck eines Schiffes stehen. Sofort freue ich mich auf den nächsten Sommer, statt mich über die graue Jahreszeit zu ärgern.

Dieser Weg, mich mit schönen Erinnerungen in eine positive Stimmung zu versetzen, ist auch insofern vorteilhaft, als dass ich danach wieder einmal ausgiebig mit meiner Freundin telefoniere, endlich das Familien-Fotoalbum aktualisiere oder einen kuschligen Abend mit meinem Liebsten vorbereite. So wiederum erweitere ich meinen Gute-Laune-Speicher. Nur für den Fall, dass ich mir wieder einmal sagen muss: „Ich weiß noch, wie schön es war, als …“


EvN

 

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